Die Wollspinnerei Blunck – Planungsarbeiten

MWBS: Krempelwolf
Probeflächen_Wolf_1
Probefläche – Wolf 1
Reinigungsproben am Selfaktor.
MWBS_Zeichnung_Selfaktor_Wasserzeichen
previous arrow
next arrow

Im Mai 2022 wurde ich beauftragt die Restaurierungsplanung für den Maschinenbestand des Wollspinnerei Blunck e.V. in Bad Segeberg bei Lübeck auszuführen. Die Wollspinnerei wurde 1852 im Zentrum Bad Segebergs gegründet und fertigte als Manufaktur bis in die 2000er verschiedene Wollgarne und ebenso Webereiprodukte aus Schafswolle. Hergestellt wurden die Produkte bis zum Ende auf transmissionsgetrieben Maschinen des ausgehenden 19. Jahrhunderts in einem Fachwerkgebäude.

2008 wurde der Förderverein „Wollspinnerei Blunck e.V.“ mit der Zielsetzung gegründet, die historisch gewachsene Produktionsstätte im Stadtkern Bad Segebergs als Museum zu erhalten und einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Meine und unsere Aufgabe bestand in der Kosten- und Ausführungsplanung sowie der Konzptbildung für die Konservierung und Wiederinbetriebnahme des historischen Maschinenbestandes.

Das Arbeitsverfahren in der mechanischen Wollgarnherstellung

Hergestellt wurden in der Wollspinnerei zwei Hauptprodukte: Wollgarn und der sogenannte „Flor“, ein noch wenig fester flächiger Vlies. Ersteres wurde als Rohprodukt für Strickgüter und als Nähgarn (Zwirn) abgegeben. Die angelieferte Wolle wird in einem ersten Schritt gewaschen, gemischt und gefettet. Anschließend beginnt die maschinelle Verarbeitung: Auf dem Wolf, auch „Krempelwolf“ wird der verbliebene Sand ausgekämmt und die Wollfasern grob ausgerichtet. Das Ausblasen der Fasern in einen Fangbereich trennt sie von feinen Faserresten. Die Weiterverarbeitung erfolgt auf der Krempel oder auch Kardiermaschine. Technologisch ähnlich wie bereits beim Wolf werden die Fasern hier durch gegenläufiges Bürsten weiter sortiert, gepresst und zum jeweiligen Vorprodukt verarbeitet. Hergestellt werden kann hier der flächige Flor, oder, an einer zweiten Kardiermaschine mit angeflanschtem Florteiler ein Vorgarn.

Im Fall des flächigen Flors ist die Verarbeitung vorerst abgeschlossen. Das Vorgarn dagegen wird händisch ins Obergeschoss transport und auf der Spinnmaschine – auch Selfaktor genannt – mechanisch in einem komplexen Verfahren zum Garn gesponnen. Das Spinnen erzeugt dabei eine einseitige gespannte Verdrehung, welche aus dem groben Vorgarn den Faden bildet. Zur Herstellung des fertigen Fadens wird auf der Zwirnmaschine eine Gegendrehung erzeugt, welche ein späteres Auseinanderdrehen des fertigen Fadens unterbindet.

Die Abfolge im Kardieren. Aus: KOESTER 1952: Die Krempelei. S. 60.

Erfassung der Produktionsmittel in der Wollspinnerei Blunck

Die Produktionsmittel – also überwiegend Maschinen – bilden das Herzstück der Wollspinnerei Blunck. Während der durchgeführten Erfassung wurden alle Produktionsanlagen des Hauptgebäudes erfasst und einer Funktion zugeordnet. Hierzu wurden Zeitzeugen befragt, Vergleichsliteratur herangezogen und ebenso die Bestandsunterlagen des Betriebs gesichtet, inventarisiert und mit dem Bestand abgeglichen. Die Produktionsmittel sind nach derzeitigem Stand vollständig vorhanden und Gliedern sich in die drei Hauptproduktionsräume: die Wäsche- und Färberei mit Trocknung sowie einen Raum mit zwei Wölfen: einem Krempelwolf und einem Reißwolf (zur Wiederverwertung abgelegter Wollprodukte); einem Raum mit zwei z.T. deutlich modifizierten Kardiermaschinen für die Herstellung von Vorgarn und Flor/Vlies sowie dem Obergeschoss für die Spinnerei und Zwirnerei.

Unsere Aufgabe war hier die Inventarisierung, Verortung und fotografische Erfassung der Objekte. Hierzu wurden die Objekte im Datenbanksystem Moliri mit Zustand, Maßen, Gewichten und ggf. Schadstoffbefund verzeichnet, ebenso wurde der Objektstandort im Grundriss kartiert. Zubehör wurde nach der Literaturrecherche zugeordnet und Funktionsabläufe beschrieben. Literaturhinweise und Vergleichsobjekte an anderen Standorten wurden in der Datenbank hinterlegt. Deutlich wurde hier erneut die notwendige Ausbildung von Restauratorinnen und Restauratoren in wissenschaftlichen und systematischen Arbeitsverfahren als auch dem Umgang mit technischen Bibliotheken und digitalen Datenbanksystemen.

Krempelwolf in der Wollspinnerei Blunck. Foto Pohlmann/Heyn 2022.
Ende der Kardiermaschine 1 in der Wollspinnerei Blunck. Foto Pohlmann/Heyn 2022.
Selfaktor in der Wollspinnerei Blunck. Baujahr vor 1900. Foto Pohlmann/Heyn 2022.

Untersuchung des technischen Zustandes und der Erscheinung

Für die Einschätzung der späteren Betriebsfähigkeit ist eine technische Beurteilung des Zustandes unerlässlich. Wichtig ist hier eine eindeutige und genormte Einordnung nach ingenieurtechnischen Standards. Der beurteilende Restaurator muss geschult im klassischem Maschinenbau und dessen Konstruktionselementen sein. Hierzu gehört die Identifkation von Gleit- und Wälzlagerungen in zwei Achsen als auch Antriebstechniken über verschiedene Riemen-, Ketten- oder Radantriebe. Eine Beurteilung des Verschleisszustandes ist nur auf Basis von Solllagerspielen, Zahnformen und der Längung oder Schrumpfung von Antriebsmaterial möglich. Hierzu sind Erfahrungen mit historischem Maschinenbestand insofern notwendig, als das Lagerspiele, Schmierstoffe und Konstruktionen von heutiger Normung z.T. massiv abweichen und teilweise nach Erfahrungswerten beurteilt werden müssen.

Nach der Erstellung von 3D Modellen durch einen externen Anbieter wurden erhöhte Lagerspiele und Abweichungen von der Urkonstruktion in technischen Skizzen und Zeichnungen für die nachfolgende Bearbeitung ebenso kartiert wie Verschmutzungsgrade und Korrosionszustände. Im Anschluss wurden Bearbeitungslisten und Kostenpositionen für die mechanische Instandsetzung angelegt. Vor besondere Herausforderungen stellte uns hierbei die zum Teil räumlich sehr enge Situation ebenso wie die mechanische Komplexität der rein mechanischen Maschinen. Im speziellen der Selfaktor mit aufwändiger Kurvensteuerung und daraus folgender vollautomatischer Spinnfunktion erforderte eine gute Vernetzung zu Einrichtungen welche bauähnliche Maschinen bis heute betreiben. Ein Probelauf war aufgrund des Verschmutzungsgrades und Risiken der Fehlbedienung nicht ratsam, sodass Funktion und Zustände vollständig im Stillstand erschlossen werden mussten.

Anlage von Probeflächen zur Objektreinigung

Parallel zur technischen Erfassung und Maßnahmenplanunung der Instandsetzung wurden die Oberflächenzustände der Maschinen untersucht, dokumentiert und kartiert. Anders als in bisherigen Projekten spielte Korrosion und die allfällige Alterung der Beschichtung eine untergeordnete Rolle, sodass hauptsächlich ein Reinigungskonzept erstellt und eine aufgrund der komplexen Objektgeometrie aufwändige Massenermittlungen durchgeführt wurden.

Reinigungsproben am Selfaktor durch Lisa Heyn. Bild Pohlmann 2022.
Untersuchungen zum mechanischen Zustand der Deckentransmission a. Selfaktor. Foto Pohlmann/Heyn 2022.
Kartierte erhöhte Lagerspiele am Wolf 1.
3D Modell des Selfaktors. Erstellung externer Anbieter.
Datenbankeintrag für den Selfaktor. Wolf/Pohlmann 2022.

Auftraggeber und Projektpartner

Mein herzlicher Dank geht an den Auftraggeber, den Wollspinnerei Blunck e.V., für die angenehme und Zusammenarbeit und Kommunikation. Das Datenbanksystem Moliri wurde erneut von meinem Projektpartner Juri Wolf bereitgestellt. Ebenso bedanken möchte ich mich bei M.A. Rest. Lisa Heyn sowie B.A. Rest. Antonia Weppler als freie Mitarbeiterinnen für den fachlichen Austausch und die professionelle Zusammenarbeit.